Aus dem Gemeinderat

Das Recht des Einzelnen

Aus dem Gemeinderat

Ich bin überrascht, dass es doch zu etlichen Reaktionen zu meiner Absage zur
Klausurtagung (1) aus den bekannten Gründen kam.

Neben etlichen Unverständnis schlug mir aber auch viel Beistand hierfür
entgegen.

Ich möchte diese Reaktion als Diskussionsbeitrag betrachten und gerne die
Diskussion weiterführen.

Feststellen muss man, dass mir mein Recht auf die Verweigerung in religiösen
Orten an einer Veranstaltung der Stadt Göppingen nie abgesprochen wurde.
Dies erkenne ich an. Bei manchen Beiträgen die meine Haltung kritisieren
ging es aber auch auf einer negativen persönlichen Ebene weiter. Anzuführen
bleibt der Kommentar von Herrn Thiele, NWZ Göppingen, Südwestpresse.

Diese Reaktionen sind mir leider als Atheist und Humanist nicht unbekannt,
diese gehen manchmal sogar soweit, dass es in einer Diskriminierung endet.
Einer sachlichen Diskussion ist dies leider abträglich.

Mit meinem offenen Brief, wollte ich eine Diskussion auslösen die weit über
der bloßen nicht Teilnahme hinaus geht.

* Seit 1949 haben wir in Form des Grundgesetzes eine Verfassung die
von unseren Gründungsmüttern und Vätern den Auftrag bekommen hat Kirche und
Staat zu trennen, bisher wurde dieser Auftrag nicht ansatzweise erfüllt, zu
nennen sind staatliche Zahlungen, angefangen von Lohnzahlungen für Bischöfe,
Kirchentagsfinanzierungen bis hin zum Einzug der Kirchensteuer, um hier nur
wenige Beispiel zu nennen.
* In unserer Gesellschaft wird leider viel zu oft von dem
Selbstverständnis ausgegangen, dass alle Bürger unserer Gesellschaft immer
automatisch an Veranstaltungen von Religionsgemeinschaften und in deren
Einrichtungen teilnehmen müssen. Bei rund 50% der Bevölkerung die keiner der
zwei großen staatlich geförderten Religionsgemeinschaften angehören, war
dies für mich nicht mehr akzeptabel.
* Göppingen ist immer sehr stolz auf seine Vielfalt, auch im Bereich
der Religionen. Dies begrüße ich auch ausdrücklich, jeder Bürger hat das
Recht seine eigene Religion auszuüben. Es gibt für einen Humanisten keine
Religion mit einem Alleinvertretungsanspruch. Jede Religion oder auch
Glaubensgemeinschaft entwickelt dadurch die gleichen Ansprüche wie die 2
großen Kirchen. Dies bedeutet aber in letzter Konsequenz, dass Ansprüche
über den finanzierten Religionsunterricht, die Steuereinziehung oder die
Steuerbefreiung von entsprechenden Einrichtungen jedem zugestanden werden
muss. Dies nenne ich Toleranz.

Es stellt sich natürlich bei der Anzahl der Religionen die Frage der
Finanzierbarkeit, unabhängig von dem verfassungsmäßigen Auftrag der Trennung
von Kirche und Staat.

Es ist mir auch klar, dass es für Menschen die ihren Glauben leben schwer
nachvollziehbar ist, wenn ein Humanist keine kirchlichen Einrichtungen
betreten möchte. Aber auch dies muss akzeptiert werden, was auch immer der
Einzelende für persönliche Beweggründe hat, die vielleicht in der
Öffentlichkeit nicht zu diskutieren sind.

Ob meine Reaktion auf den Veranstaltungsort übertrieben war oder nicht
obliegt der Meinungsbildung des Einzelenden. Solange dies auf einer
sachlichen Ebene abläuft habe ich damit kein Problem.

Als Stadtrat gebe ich meine Rechte als Bürger nicht an der Eingangstür des
jeweiligen Raumes ab. Auch ich habe die gleichen Rechte wie jeder andere
Bürger.

Da immer wieder der Vorwurf der mangelnden Toleranz mir gegenüber gemacht
wurde möchte ich hierzu auch Stellung nehmen.

Definition nach Wikipedia: Toleranz, auch Duldsamkeit,
<https://de.wikipedia.org/wiki/Toleranz#cite_note-1> [1] ist allgemein ein
Geltenlassen und Gewährenlassen fremder Überzeugungen, Handlungsweisen und
<https://de.wikipedia.org/wiki/Sitte> Sitten.
<https://de.wikipedia.org/wiki/Toleranz#cite_note-M.C3.BCllerHalder-2> [2]
Umgangssprachlich ist damit heute häufig auch die Anerkennung einer
<https://de.wikipedia.org/wiki/Gleichberechtigung> Gleichberechtigung
gemeint, die jedoch über den eigentlichen Begriff („Duldung“) hinausgeht.
<https://de.wikipedia.org/wiki/Toleranz#cite_note-Mittelstra.C3.9F-3> [3]

Ich möchte hier für mich klar stellen, dass ich im Rahmen unserer
Gesetzgebung ein toleranter Mensch bin. Wenn man es auf Religionen beziehen
möchte, sitze ich mit einem studierten Theologen in einer Fraktion. Wir
haben keine Probleme unsere gegenseitige Ausrichtung der Glaubensfrage an zu
erkennen. Mir wäre es auch völlig egal, ob jemand einer anderen Religion
angehört.

Allerdings ist Toleranz keine Einbahnstrasse, wer Toleranz fordert muss
diese auch anderen Menschen mit anderen Einstellungen entgegenbringen,
ansonsten endet es in Intoleranz. Es sind hier Beispiele von Religionen,
sexueller Ausrichtung oder Formen von unterschiedlichen Lebensgestaltung zu
nennen. Solange diese Einstellungen oder Lebensformen sich innerhalb der
Gesetzgebung bewegen kann jeder machen und tun was ihm beliebt. Sobald aber
Entscheidungen die nicht gesetzmäßig begründet sind andere in ihrer
persönlichen Freiheit einschränken läuft es im Ergebnis auf Intoleranz
hinaus.

Man kann sich jetzt die Frage stellen, was es für Auswirkungen hat wenn ich
an einer Klausurtagung der Stadt Göppingen nicht teilnehme und ob es im
Ergebnis einen Unterschied macht, ob ein Stadtrat aus beruflichen Gründen
und / oder aus anderen Gründen wie Krankheit nicht teilnimmt.

Natürlich hätte ich auch den einfachen Weg gehen können und keine Begründung
meiner Absage nennen können. Dies ist aber nicht mein Selbstverständnis von
Politik auch wenn ich nur ein ehrenamtlicher Stadtrat bin. Viele Menschen
fordern immer, dass gerade Politiker Kante zeigen und nicht weichgespült
sind, diese Kante habe ich ehrlich gezeigt.

Ursprünglich erschienen auf michaelfreche.de